Kooperationen: Das neue WIR im Business
By Ulrike Stahl In BlogKonkurrenzlos erfolgreich zusammenarbeiten – sogar mit dem Wettbewerb
Wie wäre das, mit dem härtesten Wettbewerber zusammenzuarbeiten? Unvorstellbar? Oder einen Gedanken wert? Zwei große deutsche Automobilhersteller haben sich genau dafür entschieden.
Nachdem im Geheimen lange miteinander gesprochen und verhandelt wurde, überraschten Mercedes Benz und BMW im März 2019 die Öffentlichkeit damit, dass die Bündelung ihrer Mobilitätsdienste in fünf gemeinsame Firmen nur der Beginn einer weitreichenden Kooperation im Bereich autonomes Fahren und E-Mobilität ist.
Die Pluspunkte der Zusammenarbeit liegen auf der Hand: Gemeinsam können sie Synergien nutzen, Ressourcen schonen, Expertenwissen vernetzen und so weiterkommen als alleine. Gemeinsam sind wir schnell, intelligent und innovativ – also einfach stärker.
Fragen wir uns nicht auch manchmal: Was bringt Kooperation? Sind wir alleine nicht flexibler und unabhängiger? Möglicherweise. Aber eben auch kaum mehr in der Lage oder schnell genug, die komplexen Herausforderungen der modernen Wirtschaft zu lösen.Der Gelehrte und politische Theoretiker John Schaar hat es vollkommen richtig beschrieben:
„Die Zukunft ist nicht ein Ort, an den wir gehen, sondern ein Ort, den wir gestalten. Die Wege dorthin werden nicht gefunden, sondern geschaffen.“
Einen vollkommen neuen Weg haben auch die beiden eigentlichen Konkurrenten Mercedes Benz und BMW geschaffen. Über alles Wettbewerbsdenken hinweg haben sie sich auf das neue WIR im Business eingelassen. Und das aus gutem Grund! Die Automobilindustrie steckt in einer grundlegenden Transformation. Technische Herausforderungen, harte Marktbedingungen, völlig neue Produkte und Services jenseits vom einfachen Autoverkauf, fordern hohe Investitionen und außerordentliche Innovationskraft. Alleine wären beide Unternehmen langsamer und könnten die Entwicklungskosten schwer oder gar nicht stemmen.
Unser Weltbild kommt ins Wanken. Was ist da los, wenn jetzt schon Konkurrenten zusammenarbeiten? Schwächeln die Unternehmen etwa? Ganz im Gegenteil: Kooperieren ist stark und intelligent. Aber selbst die Presse reagierte überrascht: „Rivalen planen weitreichende Kooperation“. Und die „Welt“ schrieb: „Die Kooperation markiert einen epochalen Wandel“. Richtig! Die Zusammenarbeit dieser beiden großen deutschen Automarken ist nur eines von vielen Beispielen, die den unvermeidbaren wirtschaftlichen Paradigmenwandel illustrieren.
1968 passierte etwas Ähnliches im Sport, als Dick Fosbury den Hochsprung revolutioniert. Er springt mit dem Rücken zur Latte – wie noch keiner vor ihm. Als er bei den Olympischen Spielen in Mexiko antritt, lacht die Konkurrenz über den gewöhnungsbedürftigen Bewegungsablauf. Um dann zu erleben, wie sich Fosbury die Goldmedaille holt. In den folgenden 22 Jahren klettert der Weltrekord um 16 Zentimeter auf 2,45 Meter. Der Rekordhalter Javier Sotomayor aus Kuba überspringt mit dieser Technik sogar seine eigene Körperhöhe (1,93 m) um 52 Zentimeter. Würde heute jemand mit der alten Technik, dem Scherensprung oder dem Bauchwälzer zum Wettkampf antreten, wäre er derjenige, über den gelacht wird.
Wer in der heutigen schnellen und vernetzten Welt erfolgreich sein will, muss – wie Dick Fosbury – umdenken und umlernen. Anstatt mehr vom selben zu tun, wagte er etwas Neues. Wie gerade heute viele kleine und große Unternehmen, die das vorhandene Kooperationspotenzial sinnvoll und erfolgsstiftend nutzen:
Die Firma Heinz verarbeitet Tomaten zu Ketchup. Was von zwei Millionen Tonnen Tomaten jährlich übrig bleibt sind Haut und Stiele. Auf der anderen Seite gibt es die Firma Ford, die seit vielen Jahren zu pflanzenbasierten Kunststoffen forscht. Die Grundlage einer für beide Seiten nützlichen Kooperation: Heinz spart sich Entsorgungskosten und Ford erhält Material für seine Forschung. Idealerweise kommt das Wissen von Ford wieder zurück zu Heinz, die ihre Plastikflaschen nachhaltiger herstellen können. „Gehen uns dadurch nicht Kunden verloren?“ Die Frage, die uns oft hemmt zu kooperieren, stellt sich hier nicht. Die beiden Unternehmen kommen sich markttechnisch nicht in die Quere.
Eine Fitnesskette mit Studios überwiegend in Norddeutschland kooperiert mit einer Fitnesskette in Süddeutschland. Die Mitglieder dürfen zukünftig in allen Studios trainieren, so dass sie auch fit bleiben können, wenn sie auf Reisen sind. Beide Unternehmen bieten ihren Kunden einen größeren Nutzen, müssen sich aber auch keine Sorge machen, Kunden an das andere Unternehmen zu verlieren.
Im Allgäu haben Bäcker den Verein „Allgäuer Bäcker“ gegründet, um gemeinsame Standards zu setzen und gemeinsam Marketing zu betreiben. Spannend und ungewöhnlich: Die Initiative ging vom größten Bäckereiunternehmen in der Region aus. „Gemeinsam besser“ ist eine Einkaufsgemeinschaft von Gastro- und Hotelunternehmen. Alles begann damit, dass einige Unternehmen ihre Einkaufskonditionen offengelegt haben. Inzwischen wird der größte Nutzen aber damit beschrieben, dass die Beteiligten ihre Erfahrungen austauschen. Wer sich dem Paradigmenwandel stellt, wird es sich selbst zur Aufgabe machen, den Austausch und die Kooperation aktiv zu suchen. Wie gelingt das?
Indem wir ko-intelligenter werden. Das heißt, die Fähigkeiten zu nutzen, die es uns erlauben, erfolgreich zu kooperieren, kollaborieren und kokreieren. Und das auch gerade dann, wenn es schwierig wird oder wir unter Druck stehen. Dafür gibt es vier Ko-Intelligenz-Treiber:
Indem wir den Fokus immer wieder darauf lenken, dass wir gemeinsam weiterkommen als alleine. Verbunden mit der Bereitschaft, auch mal auf einen schnellen, individuellen Gewinn zu verzichten, um langfristig gemeinsam mehr zu gewinnen.
Positiv anerkennen, dass wir von anderen Expertisen, Vorgehensweisen und Unternehmenskulturen profitieren können. Wohlwissend, dass es immer wieder auch eine neue Herausforderung ist, mit Andersartigkeit umzugehen.
Das Zauberwort heißt Vorschussvertrauen. Nur wenn wir davon ausgehen, dass die anderen Beteiligten sich selbstverständlich auch kooperationsfördernd verhalten werden, sind wir bereit, alles zu geben. Nur dann kann aus eins und eins drei oder noch viel mehr werden.
Innovation findet nicht im Elfenbeinturm des Experten statt. Sie entsteht, wenn verschiedene Disziplinen zusammenkommen und Wissen geteilt wird. Neben dem Dialog fördern neue Methoden wie Design Thinking diesen Prozess aktiv.
Neben dem tief verinnerlichten Wettbewerbsprinzip halten uns drei B-Faktoren davon ab, aktiv zu kooperieren.
Zu bequem. „Wir machen unsere Sachen schon immer so, wie es für uns richtig ist. Kommt jemand anderes dazu, müssten wir uns auf dessen Art und Weise, einen völlig neuen Weg einstellen. Das birgt ja auch ein Risiko, oder?“
Zu beschäftigt. „Kooperieren? Klar wäre das super, aber uns steht die Arbeit eh bis hier oben. Wir machen das, wenn wir mal Zeit haben.“
Zu blauäugig. „Das ist sicher nur so eine Welle. Die geht auch wieder vorbei. Das Konkurrenzdenken hat uns bis hierhergebracht – und wird uns sicher auch weitertragen.“
Nein! Jetzt gilt es, andere Wege zu gehen und die neue Technik der Kooperation zu lernen. Viel Spaß mit dem neuen WIR im Business und viel Erfolg beim konkurrenzlos erfolgreichen zusammenarbeiten – vielleicht ja sogar mit dem härtesten Wettbewerber!
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